Vertriebsvereinbarungen in der MENA-Region

14 Februar 2024 - Dr. Christian Steiner, Dr. Christian Ule und Sophie Greiner

In diesem Artikel geben wir einen Überblick über Vertriebsverträge in Marokko, Algerien, Ägypten und Saudi-Arabien und deren Besonderheiten.

Der Abschluss von Handelsvertreter- und Vertragshändlerverträgen (engl.: „commercial agency & distrubutorship agreements“), den häufigsten Vertriebsverträgen, birgt in der Region des Nahen Ostens und Nordafrikas (MENA) eine Reihe von Risiken, die ausländische Unternehmen kennen sollten, um sie zu minimieren. Dieser Artikel beleuchtet einige Besonderheiten in Marokko, Algerien, Ägypten und Saudi-Arabien.

Handelsvertreter und Vertragshändler: Was ist der Unterschied?

Handelsvertreter sind Personen, die für ein anderes Unternehmen in dessen Namen und auf dessen Rechnung gegen Provision Handelsgeschäfte abschließen und dadurch für dieses Unternehmen einen Kundenstamm aufbauen. Dadurch unterscheiden sie sich von Vertragshändlern, die Waren von einem Unternehmen in der Regel zu reduzierten Preisen beziehen und im eigenen Namen weiterverkaufen, so dass ihr Verdienst in der Gewinnmarge besteht. Für Handelsvertreter und Vertragshändler gelten in der Regel unterschiedliche Regelungen, da erstere schutzbedürftiger sind.

Worauf sollten Unternehmen bei der Verhandlung von Vertriebsverträgen in der MENA-Region achten?

Exklusivität: Das algerische Wettbewerbsrecht verbietet Exklusivität in Vertragshändlerverträgen. In Marokko hingegen sind die Parteien in ihrer Entscheidung frei, allerdings steht dem Handelsvertreter im Falle eines Exklusivvertrages eine Provision zu, auch wenn er nicht am Vertragsabschluss beteiligt war. In Ägypten gilt die Ausschließlichkeit für Handelsvertreterverträge, sofern die Parteien nichts anderes vereinbaren. In Saudi-Arabien betrachtete das Handelsministerium früher jeden Handelsvertretervertrag automatisch als Exklusivvertrag, bis es in jüngerer Zeit auch nicht-exklusive Vertragsverhältnisse anerkannte. Exklusivität ist in Saudi-Arabien für bestimmte Produkte vorgeschrieben. 

Das geltende saudi-arabische Gesetz und seine Durchführungsverordnungen schreiben nicht vor, dass der Handelsvertreter/Vertriebshändler auf der Grundlage der Exklusivität für die betreffenden Produkte oder das betreffende Gebiet bestellt werden muss. Wenn jedoch ein Handelsvertreter/Vertriebshändler auf Ausschließlichkeitsbasis ernannt wird, wird die Ausschließlichkeit in der Regel von den zuständigen Behörden (Handelsministerium und zuständige Gerichte im Falle von Streitigkeiten) durchgesetzt und geschützt. Der Gesetzentwurf (der sich noch in der Konsultationsphase befindet) erlaubt grundsätzlich Ausschließlichkeitsvereinbarungen zwischen einem Unternehmer und einem Handelsvertreter/Vertriebshändler. Das Handelsministerium kann eine solche Ausschließlichkeitsvereinbarung aufheben, wenn sie den Wettbewerb auf dem Markt behindert und/oder zu einem ineffizienten Vertrieb bestimmter Produkte auf dem Markt führt.  

Staatsangehörigkeit: Einige Staaten wie Ägypten und Saudi-Arabien verlangen nach wie vor, dass Handelsvertreter die ägyptische bzw. saudische Staatsangehörigkeit besitzen. Obwohl zumindest für Saudi-Arabien die Abschaffung dieses Erfordernisses angekündigt wurde, bleibt abzuwarten, wann und ob diese Reform tatsächlich umgesetzt wird. Der saudische Gesetzesentwurf sieht vor, dass Ausländer (von außerhalb des Golfkooperationsrates) als Handelsvertreter/Vertriebshändler im Königreich tätig werden können, sofern sie eine Lizenz des Ministeriums für Investitionen und Handel erhalten.

Beschränkungen der Exklusivität: In einigen arabischen Staaten werden Handelsvertretern und Vertragshändlern erhebliche Rechte und Privilegien eingeräumt. Nach saudi-arabischem Recht ist es z.B. für Hersteller schwierig, bei Vertragsbeendigung einen neuen Handelsvertreter/Vertriebshändler zu benennen, bis alle Streitigkeiten endgültig geklärt sind. Dies kann Jahre dauern. Eine solche Blockade kann vermieden werden, indem von vornherein keine Exklusivität zwischen den Parteien vereinbart wird oder zumindest die Exklusivität auf bestimmte Regionen oder Produkte beschränkt wird. In Ägypten kann grundsätzlich eine Beschränkung des Vertretungsverhältnisses auf Regionen, Branchen, Projekte oder Kunden vereinbart werden, so dass für den Vertrieb ausländischer Produkte in Ägypten mehrere Handelsvertreter eingesetzt werden können. Um Streitigkeiten zu vermeiden, sollte jedoch in Handelsvertreterverträgen ausdrücklich festgehalten werden, dass dem Handelsvertreter keine Exklusivität eingeräumt wird.

Registrierungspflicht: In Saudi-Arabien besteht eine Registrierungspflicht für Handelsvertreter/Vertragshändler beim Handelsministerium. Nach dem Gesetzesentwurf müssen sie sich auch beim Investitionsministerium registrieren lassen, wenn sie Ausländer sind. Diese Pflicht besteht in Ägypten nur für Handelsvertreter. Eine Umgehung der Registrierungspflicht durch Anwendung ausländischen Rechts ist nicht möglich. Die Nichtregistrierung wird in Saudi-Arabien und Ägypten mit empfindlichen Geldstrafen geahndet, führt aber nicht zur Unwirksamkeit des Vertrages. Es empfiehlt sich, im Vertrag eine detaillierte Entschädigungsregelung für den Agenten/Händler für den Fall vorzusehen, dass dieser bei Vertragsende die Löschung der Registrierung nicht beantragt.  

Schwierigkeit der Kündigung: In vielen Ländern kann es selbst bei eindeutigen Vertragsverletzungen sehr schwierig sein, den Handelsvertreter zu kündigen. Es ist ratsam, klare Kündigungsklauseln in die Verträge aufzunehmen, die wesentliche Vertragsverletzungen des Handelsvertreters/Vertriebshändlers normieren und definieren.

Kündigungsfristen: Die Kündigungsfristen richten sich in der Regel nach der Laufzeit des bestehenden Vertrages. Bei Handelsvertreterverträgen in Marokko beträgt die Kündigungsfrist beispielsweise im ersten Vertragsjahr einen Monat, im zweiten Jahr zwei Monate und in den Folgejahren ab dem dritten Jahr drei Monate. Eine Abweichung ist nur möglich, um die Kündigungsfrist zu verlängern. Generell empfiehlt es sich in Ägypten, die einzuhaltenden Kündigungsfristen vertraglich genau festzulegen, da diese nicht gesetzlich geregelt sind.  

Ausgleichsansprüche: Hohe Ausgleichsansprüche bei Beendigung des Handelsvertretervertrages oder bei Nichtverlängerung eines befristeten Vertrages sind keine Seltenheit. Zwingende Vorschriften des ägyptischen Handelsvertretergesetzes, z.B. über den Ausgleichsanspruch, können nicht abbedungen werden. Der Ausgleichsanspruch richtet sich nach dem Schaden, den der Handelsvertreter erlitten hat, sowie nach seinem Einfluss und seinen Bemühungen, für die Waren zu werben und den Kundenstamm zu vergrößern.

Parallelimporte trotz Exklusivverträgen: Eingetragene Exklusivverträge verhindern in der Praxis nicht immer Parallelimporte. Unternehmen sollten ihre Schutzrechte vor Ort registrieren lassen und nicht davor zurückschrecken, ihre Vertragspartner zu verklagen, um den Druck zur Einhaltung der Verträge zu erhöhen. Zu beachten ist auch, dass in Saudi-Arabien der Schwarzmarkt oft in unhaltbarer Konkurrenz zum legalen Handelsvertreter/Vertriebspartner steht. 

Streitbeilegung: Marokko gehört zu den Ländern, die keine Rechtswahlklauseln in Vertriebsverträgen zulassen. Aber auch wenn Rechtswahlklauseln anderswo an sich rechtlich zulässig sind, kommt es vor, dass die angerufenen lokalen Gerichte diese und Streitbeilegungsklauseln ignorieren, sich für lokal und international zuständig halten und lokales Recht anwenden. Auch in Ägypten unterliegen Handelsvertreterverträge zwingend dem ägyptischen Recht und der ägyptischen Gerichtsbarkeit. In Saudi-Arabien neigen die Gerichte dazu, auf Streitigkeiten zwischen einem ausländischen Auftraggeber und seinem saudischen Handelsvertreter/Vertriebshändler saudisches Recht anzuwenden, auch wenn die Parteien ein ausländisches Recht gewählt haben. Bei Klagen eines saudischen Handelsvertreters gegen seinen ausländischen Auftraggeber erklären sich saudische Gerichte häufig für zuständig, auch wenn die Parteien in ihrem Vertrag die Zuständigkeit eines ausländischen Gerichts vereinbart haben. Die Vollstreckung von Schiedssprüchen in der MENA-Region ist einfacher als die Vollstreckung deutscher Gerichtsurteile. Es ist ratsam, bei der Wahl des Gerichtsstands die Wahrscheinlichkeit zu berücksichtigen, selbst zu klagen oder verklagt zu werden. 

Wenn wir Sie bei der Vertragsgestaltung oder einer Auseinandersetzung im Vertriebsrecht unterstützen können, schreiben Sie uns gerne auf info@mideastlaw.de

Die ursprüngliche Veröffentlichung unserer Beitrags im ExportManager Februar 2024 finden Sie hier. Das PDF der Publikation können Sie hier Link herunterladen.

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